Dienstag, 18. Dezember 2007
#7 Das machen Volontäre wochenends
Nach fünf Arbeitstagen in Ambato ist es oft schön, übers Wochenende zu verreisen und von eben so einer Reise möchte ich hier berichten. Gemeinsam mit meiner österreichischen Kollegin Christina, ihrer Mutter, die derzeit zu Besuch ist und den beiden österreichischen Volontären aus Guayaquil, Martin und Flo fuhren wir nach Salinas de Guaranda.
Schon die Anreise war abenteuerlich, da wir die letzte halbe Stunde neben einer mit zwei Riesensäcken Heu beladenen Indígena-Frau auf der Ladefläche eines Pick-ups verbracht haben. Salinas de Guaranda ist ein nettes kleines Örtchen mit Salesianerprojekt, etwas mehr als zwei Stunden von Ambato entfernt. Als die Salesianer 1971 hierher gekommen sind, waren die paar Häuser, die es schon gab, mit Stroh gedeckt. Man begann mit Salzabbau, dann Käseproduktion. Salinas ist heute eines der wenigen Andenkaffs, das Zuwanderung hat und dank dem Salesianerprojekt wächst. Mittlerweile gibt es schon diverse Fair Trade-Produkte wie Tee, Öle, Cremen, Textilien usw., die sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene (z.B. Italien) verkauft werden. In der Textilfabrik werden alte Maschinen aus den USA verwendet, Baujahr 1915. Wie faszinierend, dass fast 100 Jahre alte Maschinen noch funktionieren und noch so gute Dienste leisten können!
Am Sonntag sind wir nachmittags (auf der nassen Ladefläche eines Pick-ups) in den benachbarten Ort Apahua gefahren, wo traditionelle fiestas gefeiert wurden. Es hat geregnet, das ganze Kaff war mit einer Schlammschicht überzogen. Christina und ich waren mit unseren Lonas (die ecuadorianische Billigausgabe von Converse – 3,90 $) daher „bestens“ ausgerüstet. Wir sechs gringos schlurften unter den staunenden Augen aller Einheimischer durch den Gatsch zum „Hauptplatz“. Dort wurde laut Musik gespielt und in einem kreisrunden, eingezäunten Bereich gab es Stierkämpfe. In die „Arena“ trauten sich Halbwüchsige, mit Canela, einem hochprozentigen Heißgetränk Mut angetrunken, die mit Säcken, Ponchos, Jacken und Decken die Aufmerksamkeit des Stieres auf sich lenkten. Drehte sich der Stier zu ihnen und setzte zum Laufen an, ließen sie die Jacken fallen, rannten und warfen sich über den Zaun. So funktioniert Männlichkeit.
Die Stiere wurden weder verletzt, noch getötet, sondern nur provoziert. Manches Mal schaffte der der Stier es, einen selbsternannten torero zu stoßen oder gar zu verletzen. Doch sogar blutende Platzwunden am Kopf hielten die Männer nicht davon ab, immer wieder aufs Neue in die Arena zu gehen. Im Gegenteil – fiel man, hieß es die „verlorene Ehre“ wiederzuerlangen.
Auch Flo und Martin sprangen – unter Jubel der Einheimischen und ängstlichen Augen der Österreicherinnen – über den Zaun und versuchten sich als toreros. Danach stärkten sie sich an einer Straßenecke mit in heißem Fett gebratenen Huhn und Erdäpfeln. Ich konnte mich von der Sterilität des Essens nicht so recht überzeugen lassen und blieb, in zärtlichen Gedanken an meinen Magen, daher hungrig. „Sicher“ laut mir, „feig“ laut Martin. Von mir aus. Aber am Donnerstag kommt meine Familie und ich will einfach nichts riskieren.
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