Montag, 26. Mai 2008

Bilder sagen mehr...


...darum einfach wieder mal ein paar kunterbunte Eindruecke aus meinem Leben in Kaunas.

A long time ago...

... an Austrian girl called Sarah has written her last text for this website. :) Nein, Leute, keine Angst, ich bin weder in litauischen Seen versunken, noch von einem Trolleybus in Kaunas gerammt worden. Mir geht’s nach wie vor gut und nun berichte ich Euch sogar wieder mal etwas aus meinem Leben. :)

Back home im Grünen (die_Sarah)

Kaunas Jazz

Auch schon wieder eine Weile her, aber das hat für mich die komplette Veränderung der Stadt symbolisiert. Ende April gab’s bei uns nämlich das größte Jazzfestival im Baltikum und so hab ich wirklich mal ein ganz neues Gesicht meiner Stadt erleben können ...
... herrliches Frühlingswetter, T-Shirt-tragende Volunteers mit Sonnenbrille
... Menschen, viele, viele Menschen, die im Gras liegen, tanzen, lachen, essen
... die coolsten Partys und Konzerte seit langer Zeit
... eines der schönsten Feuerwerke, angekündigt persönlich vom litauischen Kulturminister
... einfach eine super entspannte und gemütliche Atmosphäre!!
WOW.

1000 und eine Überraschung

Gab’s dann für einige Menschen Anfang Mai, als die verrückte Sarah spontan beschlossen hatte, insgesamt 48 Stunden Busfahrt auf sich zu nehmen, um vier Tage lang in Österreich verbringen zu können.
Die Busfahrt war ein einziges Auf und Ab meiner verwirrten Gefühle. In Wien am Westbahnhof war ich verloren wie noch nie zuvor, aber alle meine lieben und wichtigen Menschen wiederzusehen, wegen derer ich gekommen bin, hat das alles wettgemacht.
Kein Mensch wusste, dass ich kommen würde - ich sag’s euch, DIESE Gesichter werde ich nie vergessen! Hihi. :) Das war schon was.
So hab ich die Tage daheim voll ausgekostet, bin danach aber auch gerne wieder heimgefahren, heim nach Kaunas.

Irgendwo im Stau bei Sonnenuntergang auf der polnischen Autobahn. (die_Sarah)

Das war der erste Streich, doch der zweite... (naja, ihr wisst ja, wie’s weitergeht :)).

Bis gleich!

Sarah

Zu den Fotos... 1) Ich wieder zuhause am Laichbergweg in Garsten Nord.
2) Auf der Heimfahrt nach Kaunas, im Stau irgendwo auf der polnischen Autobahn.

Donnerstag, 8. Mai 2008

#14 Wasak'entsa – zwischen Achuar und Giftschlangen


Robert Kaeser, die Ansprechperson vor Ort für österreichische Volontäre, verdanken wir eine einzigartige, einwöchige Projektreise nach Wasak'entsa, einer kleinen Salesianergemeinschaft mitten im Urwald Ecuadors.
Zu viert reisten wir am 28. Mai 2008 nach Macas, um von dort mit einem Kleinflugzeug zu dem 45 Flugminuten entfernten Projekt zu gelangen. Der Flug war ein unglaubliches Erlebnis. Zu fünft flogen wir mit der Propellermaschine über unberührten Primärwald und landeten schließlich in Wasak'entsa auf einer erdigen 600m langen Rollbahn.
1958 sind die Salesianer erstmals nach Wasak'entsa gekommen. 1988 ist das Projekt entstanden. Es wird mit der indigenen Bevölkerung der Achuar gearbeitet. Man hat eine Grundschule und höhere Schule gebaut und unterrichtet derzeit ca. 30 Jugendliche und Erwachsene zwischen 12 und 36 Jahren, die aus den umliegenden Dörfern stammen. Die Missionsarbeit basiert darauf, dass man Bibelstellen mit Achuarmythen vergleicht und Parallelen zieht. Man will nicht das Weltbild der Achuar zerstören, sondern mit einem neuen Gedanken nahtlos anknüpfen.

Das Leben der Achuar ist streng männlich-weiblich getrennt. Frauen und Männer schlafen, essen, studieren und arbeiten getrennt und gehen spezifischen Aufgaben und Verantwortungen nach. Man redet nicht miteinander und schon ein Blickkontakt kann als Heiratsantrag verstanden werden.
Der Tagesablauf ist ebenfalls strikt. Um 5 Uhr steht man auf, bis 6 Uhr ist Studierzeit, um 6.30 Uhr Frühstück, danach Unterricht bis 13.00 Uhr, anschließend Mittagessen. Von 13.30 Uhr bis 15.30 Uhr wird am Feld gearbeitet, Yuca geputzt und Chicha, das traditionelle Getränk, gemacht. Um 16.00 Uhr wird Ball gespielt, danach duscht man sich und um 17.45 Uhr gibt es Abendessen. Dann widmet man sich eventuellen Hausaufgaben, um 20.00 Uhr ist das Abendgebet und danach geht man zu Bett. Das Essen besteht meist aus Thunfisch, Reis, Linsen, Nudeln, Yuca und Kochbananen.

Am ersten Tag sind Christina und ich in den Genuss gekommen, Chicha herzustellen. Zum Chicha-Machen braucht man einen großen Topf, viel geputzte und geschälte Yuca, Wasser und Camote. Die Yuca wird mit dem Wasser weichgekocht, dann beginnt die eigentliche Arbeit: Camotestücke werden in den Mund genommen und zerkaut, der dabei freiwerdende Saft wird gemeinsam mit dem entstandenen Speichel in den Topf gespuckt und mit Yuca und Wasser vermischt, sodass ein Brei entsteht, der wie Kartoffelpürree aussieht. Dieser Brei wird mit bereits älterem Brei vermengt, stehengelassen, bis er vergärt, dann und wann mit Wasser aufgegossen und fertig ist die Chicha! Chicha wird den ganzen Tag über getrunken an Stelle von Wasser. Es hat eine dickflüssige Konsistenz, schmeckt säuerlich und hat etwa den Alkoholgehalt von Most.

Nachmittags wird sowohl bei drückender Hitze als auch bei strömenden Regen am Feld gearbeitet. Das einzige Gartengerät, das benötigt wird, ist die Machete. Damit werden sowohl giftige Schlangen getötet, als auch Unkraut gejätet und Löcher gegraben. Die Erde ist lehmig locker und fruchtbar feucht. Ich hatte zum ersten Mal eine Machete in der Hand, arbeitete daher um einiges langsamer und umständlicher als die Achuar-Mädels.

Samstags begleitete uns Domingo, ein Achuar, der im Projekt lebt, zum nächstgelegenen Dorf, das 45 Gehminuten entfernt liegt. Dort wohnen drei Frauen, ein Mann und seine 12 Söhne und Töchter. Wir betraten das Haus. Lehmboden, zwei Zimmer mit Holzwand getrennt, zwei Holzpritschen und einige Decken. Die Frauen empfingen uns nicht – das verbietet die Kultur – sondern das älteste Mädchen reichte uns zur Stärkung Chicha. Die Kinder trugen zerschlissene Kleidung, waren schmutzig, unterernährt, aber hübsch und fröhlich. Sie hatten keine Berührungsängste, sondern lachten uns breit aus schmalen, mandelförmigen Augen an. Wir lächelten zurück und versuchten, zu kommunizieren. Der Achuar übersetzte. Wir überzeugten sie, ein Lied für uns zu singen. Dann sangen wir für sie. „Und dann gang i ans Petersbrünnele“. Jodelten fröhlich mitten im Regenwald Ecuadors. Die Kinder freuten sich und lachten. Ich dachte an saubere, blonde Österreicherkinder, die gegen alles allergisch sind. Die Geschwister entdeckten eine Maus. Das ganze Haus stand in Aufruhr, die Kinder packten Stöcke und jagten aufgeregt die Maus. Sie fiel von der Decke zu Boden. Ein Bub erschlug sie und lächelte stolz und zufrieden. Der Hund schnappte sie und trug sie nach draußen. In Österreich schrie indessen ein kleines Mädchen, weil in ihrem Kinderzimmer in der Ecke eine Spinne hockte. Auf dem Heimweg schüttete es aus Kübeln einen richtigen Regenwaldregen. Martin pfiff ironisch „English Summer Rain“. Wir waren patschnass. Und vergnügt.

Am 5. Mai 2008 flogen wir zurück nach Macas. In die Zivilisation. Gemeinsam mit einer kranken Achuar-Frau, die von einer Giftschlange gebissen worden war.