Dienstag, 9. September 2008

Augen zu und durch! Einfach trinken! Und vergessen.


Sonst berichte ich doch meist von positiven Erfahrungen, von meinen Erlebnissen in der Arbeit, dem Lachen der Kinder, der Stadt Kaunas, die ich mittlerweile so sehr ins Herz geschlossen habe, aufregenden Reiseabenteuern ...

Heute mal anders - denn auch das ist Kaunas.

Kaunas - heißt für mich mittlerweile auch ein großes großes Alkoholproblem, ob man es nun wahrnimmt oder verleugnet wie es manche hier tun. Präsent ist es auf alle Fälle ...

Grade während der letzten Woche (eigentlich aber fast dauernd) habe ich manchmal das Gefühl, dass sich die ganze Stadt kategorisch besäuft.
Die Studenten und Schüler sind mittlerweile back in town nach den Sommerferien und abends gehts ganz schön rund ... am Sonntag und Montag sind Flaschen in riesigen Mengen am Straßenrand zu finden, die Straßenkehrer quasi im Dauereinsatz.

Aber die Altersgruppe, die es hier am meisten betrifft, sind wohl gar nicht die "Jungen". Viel mehr Männer, alle um die 40 oder 50, an ihrem Leben anscheinend gescheitert, obdachlos, ohne Job, ...

Im Zeitraffer ein paar Momente aus meiner letzten Woche -

... Im Trolleybus auf dem Weg nach Hause. Durchs Fenster sehe ich auf der anderen Straßenseite (direkt an einer befahrenen Hauptstraße) um 2 Uhr mittags einen total betrunkenen Mann, mit alten Kleidern. Er rappelt sich unendlich mühsam hoch, steht vielleicht eine halbe Minute lang, bevor er nach hinten fällt und sein Kopf auf der Fahrbahn aufschlägt.
Schließlich kommt eine junge Frau mit indischem Kopftuch und Gitarre am Rücken und hilft ihm auf.
Die Mädchen im Bus kichern, der ganze Bus glotzt.

... Einem Litauer mit amputiertem Bein, der bei der Fußgängerunterführung bettelt, lege ich ein paar Münzen in seine Kappe. "Geben Sie ihm doch nichts!", sprechen mich junge Männer daraufhin an, "der versäuft sowieso nur alles!"

... Abends allein daheim. Klopfen und Klingeln an der Wohnungstür, ich höre lallende Stimmen von draußen und hüte mich aufzumachen. Ganz wohl ist mir nicht dabei und ich bete in Gedanken, die Haustür auch abgeschlossen zu haben.

... In unserem Wohnhaus mit den vielen Türen leben hauptsächlich Studenten in kleinen Zimmern, ein Gemeinschaftsbadezimmer und -klo gibt es pro Stockwerk. (Wir sind eine der wenigen, die eine Wohnung haben)
Nachdem die Glaselemente aus den Türen bereits herausgeschlagen und durch Spanplatten ersetzt wurden, haben (angetrunkene) Nachbarn auch diese herausgerissen, in der Tür klafft nun ein großes Loch. Am Boden Sägespäne und Glassplitter. Mein Fahrrad, das ich vorm Haus an einen Zaun gekettet habe, hängt am Sonntagmorgen kopfüber über das Geländer hinunter in den Keller.

... Und dauernd, dauernd! - vormittags, mittags, abends - auf den Straßen. Völlig Betrunkene, die mit sich selbst reden, wankend über die Straßen laufen, Vorübergehende lautstark auf Russisch beschimpfen, von vorbeifahrenden Autos angehupt und von Passanten mit dem Handy fotografiert werden, taumeln, wackeln, in ihren eigenen Exkrementen sitzen, mit halbvollen Wodkaflaschen in der Hand.

Auch das ist Litauen.

Sonntag, 3. August 2008

Auf dem Rücken der Pferde und in den Gemäuern einer alten Fabrik


Labukas visiems :)

Nu, kaip jums sekasi? Cia Kaune viskas labai gerai, man geriau dabar, karstas oras, saule, mano vaikai, mano draugai ... kas dar reikia? ;)

Nur ein kleiner Litauischeinstieg, nun gehts auf Deutsch weiter, keine Angst.

Ich sitze vorm Computer, habe nach langer Zeit wieder mal Bilder sortiert und gespeichert und doch wieder eine Menge schöne Eindrücke gefunden, von denen ich euch eigentlich noch berichten wollte.
Klar, alles lässt sich niemals er- und aufzählen ... aber von diesem einem Wochenende vor 2 Wochen in Panevezys muss ich einfach noch erzählen. Hoffe, ihr seid nach wie vor interessiert and meinem Leben und Streben hier :o)

In Panevezys habe ich mich mit Lise (Frankreich) und Karo (Österreich) getroffen und wir haben zusammen die Räume der alten, geschlossenen Zuckerfabrik unsicher gemacht. Dabei sind ziemlich nette (wie ich finde) Bilder entstanden, die ich diesem Bericht beifüge.


Das ist für mich auch etwas ganz "Litauisches" ... diese alten Gebäude, viele von ihnen in dem typischen "Sowjetstil" (grau-weiß mit so speziellen Kacheln), die leerstehen und weder weggerissen noch renoviert werden. Wo Bäume aus den Mauern sprießen, Kinderbanden ihre Nachmittage verbringen (siehe Fotos!). Wo man sehr schöne Fotos knipsen kann, sich 3 von Charlies Angels am Dach fotografieren lassen. Wo Glasscherben auf großen Haufen liegen, Graffiti die Wände bedecken.


Wo es spannend ist, wo man die ehemalige Betriebsamkeit irgendwie noch im Gebäude spürt. Ich versuche mir dann die Gebäude vor 20 Jahren vorzustellen und spüre oft wirklich noch das Leben, das in ihnen war. Aufregend und irgendwie auch schön.


Also ein paar dieser Fotos :)

Am nächsten Tag hatten Lise, Karo, Anouk (auch Frankreich), ihr Freund und ich dann wieder etwas anderes vor ... seit 6 Jahren bin ich nicht mehr geritten, früher in Österreich eigentlich echt viel ... nun saß ich wieder auf einem Pferd.


Und wir hatten wirklich das "volle Programm" -
nicht sehr kleine Pferde (keine Ponys! Ich habs trotzdem auf Anhieb hinaufgeschafft *gg*),
eine Runde Schwimmen am Pferderücken im Fluss,
tausend Mücken und Fliegen am Pferdehals,
gemütliches Traben durch die tolle Landschaft um Anyksciai,
und schließlich eine Galoppstrecke mit - wirklich nicht niedrigen! - Sprüngen!!

Letzteres - zugegeben - nur, weil ich das litauische Wort nicht wirklich verstanden hatte. So waren wir etwas überrascht von den Sprüngen, aber alles ging gut :)
Und es machte seeehr viel Spaß!

Allerliebste nächtliche Kaunasgrüße!

Eure Sarah

So kleine Hände

Mit diesem Songtext von Bettina Wegner möchte ich euch wieder mal ein paar visuelle Einblicke in meine Arbeit im Kinderheim geben ...

"Sind so kleine Hände
winzge Finger dran.
Darf man nie drauf schlagen
die zerbrechen dann.

Sind so kleine Füße
mit so kleinen Zehn.
Darf man nie drauf treten
könn' sonst nicht gehn.

Sind so kleine Ohren
scharf, und ihr erlaubt.
Darf man nie zerbrüllen
werden davon taub.

Sind so schöne Münder
sprechen alles aus.
Darf man nie verbieten
kommt sonst nichts mehr raus.

Sind so klare Augen
die noch alles sehen.
Darf man nie verbinden
könn sie nichts verstehen.

Sind so kleine Seelen
offen und ganz frei.
Darf man niemals quälen
gehn kaputt dabei.

Ist son kleines Rückgrat
sieht man fast noch nicht.
Darf man niemals beugen
weil es sonst zerbricht.

Grade, klare Menschen
wärn ein schönes Ziel.
Leute ohne Rückgrat
haben wir schon zuviel."



...und dazu noch eine kleine "Geschichte" ...

Laima, ein behindertes Mädchen, kam letzte Woche zu uns. Sie ist 5 Jahre alt, sitzt im Rollstuhl, hat epileptische Anfälle, ist zuckerkrank, geistig und körperlich behindert. Aber sie ist fröhlich und lacht viel.

Erst vor kurzem habe ich ihre Geschichte erfahren.
Ihre Mutter ist geistig behindert, derzeit im Krankenhaus und kann sich um ihre Kinder nicht kümmern.

Laima hat eine ebenfalls behinderte Schwester, die von ihrer Oma versorgt wird und einen (gesunden) Bruder mit 10 Jahren. Und eben er war es, der Laima während der letzten Zeit versorgt hat, als ihre Mutter im Krankenhaus war.

Irgendwann hat er sie dann zu uns ins Kinderheim gebracht - ganz alleine! - meinte noch "Ich hab ihr schon zu essen gegeben und geschlafen hat sie auch schon", dann noch "Ate!" ("Tschüss!") zu Laima und ging.
Vom Vater der Kinder wissen wir gar nichts.

Hier nun die versprochenen Fotos für euch ...

Mittwoch, 30. Juli 2008

Ganz Riga singt! Und Besuch aus Österreich!

Ihr Lieben,

unbedingt berichten möchte ich euch auch noch von dem ersten Juliwochenende, das ich bei Volunteers in Riga verbracht hab...

Ganz Riga singt? - Wieso? - Weil das größte baltische Songfestival in der lettischen Hauptstadt stattfand. Ein Festival, das nur alle fünf Jahre stattfindet. Ein Festival mit 35 000 Teilnehmern. Ein sehr besonderes Festival.

Ich muss sagen, dass ich nicht wirklich große Lust auf Sightseeing hatte, da ich sowieso etwas k.o. war und vor zwei Jahren schon eine ziemlich lange Zeit in Riga verbracht habe.

So habe ich das Wochenende gemütlich genossen, mit einer Freundin viel geplaudert, im Park im Gras geschlafen (Vorsicht - das ist illegal in Riga! Meinte danach zumindest der lettische Polizeibeamte zu mir), und viel vom Festival gesehen.

Überall singende Menschen in der traditionellen Tracht, viele, viele Open-Air-Konzerte, viele Stimmen, die Gänsehaut auf meinen Rücken brachten!

Es war so toll und spannend zu erleben, dass das Singen in Lettland einfach ein sehr wichtiger Bestandteil der Kultur ist, dass die Letten (wie auch die Litauer würde ich sagen) von Kind an singen und so viele wunderschöne alte Lieder kennen.

Das Highlight war dann ein riesiges Konzert - so etwas habe ich überhaupt noch nie erlebt! - mit 12 000 singenden Menschen auf der Bühne! Wahnsinn :). Und total schön :).

Mein "persönliches" Highlight war aber, muss ich sagen, die "singende Straßenbahn" auf der Heimfahrt vom Konzert. Der ganze Straßenbahnwagen hat spontan lettische Lieder angestimmt und wir Volunteers saßen lächelnd mittendrin. Unglaublich.

Dann ... gab's wieder mal Besuch aus Österreich :).

Diesmal von meiner großen Schwester Kathrin und ihrem Freund Peter, die ich echt schon seit November 2007 nicht mehr gesehen hatte.

Wir haben viele schöne Tage miteinander verbracht, uns an verschiedenen Orten getroffen, hatten einfach eine tolle Zeit zusammen. ... Ich habe ihnen und ihrem Bus nach Warschau durch den strömenden Regen nachgewunken und war ein bisschen traurig.

Dienstag, 29. Juli 2008

Der "offizielle" Clowntag in Kaunas



Mitte Juli. Es kam - wie es kommen musste? Sämtliche "übriggebliebene" Volunteers in Kaunas, Litauen verfallen in verschiedenste Arten von Depressionen ... zusammengefasst als die EVS-Depression schlechthin bezeichnet, vor der die Volunteers auf sämtlichen Seminaren gewarnt wurden, die keiner glauben konnte. Und doch hatte sie sie erwischt.

Was tun?

Trübsal blasen?

Nein! Das kann nicht sein!

Stattdessen etwas Verrücktes, etwas Buntes, etwas Gewagtes tun. Ja - einen "offiziellen" Tag der Clowns kreieren, sich schminken, mit den Alltagskleidern in spannendeneren Kombinationen verkleiden, die Schränke nach Sonnenbrillen, Ketten und Kopftüchern durchwülen, ein buntes Tigerfahrrad nehmen, Jonglagematerial und eine handgemachte Trommel -
- und ab auf die Straße!



Mitten in Kaunas, auf der Freiheitsallee standen also an einem bewölkten grauen Montagnachmittag 4 bunte, schräge Volunteers aus Frankreich, Deutschland und Österreich, pfiffen, winkten, riefen, trommelten ohne Rythmus, ließen sich fotografieren, bliesen Seifenblasen in die Luft, ließen einen Cowboyhut die Runde machen (ein paar Münzen fielen ja doch hinein!).

Unübersehbar.
Wie auch durch die folgenden Fotos klar wird :)


What a wonderful day!

Donnerstag, 17. Juli 2008

Mittsommer auf grünen Hügeln Oder Sarah in Lindgrens Geschichten


"Su joninu!" ... das hieß es (zugegeben, ist auch schon wieder eine Weile her...) am 23. Juni hier in Litauen tausende Male. "Alles Gute zum Mittsommernachtsfest! also.

Und so was hab ich überhaupt noch nie erlebt ... daheim in Österreich ist mir das halt als Datum für den Sommeranfang bekannt, das war's aber auch schon. Hier, doch etwas weiter nördlich, schaut das aber schon anders und viiiel interessanter und lustiger aus :)

Und das war in etwa mein litauisches Mittsommer 2008 -

Am Freitag dieses verlängerten Wochenendes fuhr ich mit Anne, Simona und einigen ihrer litauischen Freunde zu dem "Live the night!" Festival nach Vilnius.
Ewig lange durch die Gegend laufen.
Lustiges Essen und illegales Trinken in einer Pizzeria.
Sich in den Menschenmassen verlieren.
Etwas genervt sein vom strömenden Regen.
Einem wunderschönen Umzug mit riesigen Puppen, Figuren quer durch die Stadt folgen.
Dann super Konzerte.

Und es wurde und wurde nicht dunkel, noch nie zuvor fiel es mir so leicht, eine ganze Nacht lang nicht zu schlafen ... :)

Um 3 Uhr morgens waren Anne und ich noch immer auf der Suche und entdecken wirklich eine tolle Reggaeparty, so tanzten wir in den Sonnenaufgang hinein.
Meine Beine wurden irgendwann doch ziemlich müde und ich spazierte 2 Stunden durch die Stadt, bevor wir um halb 7 Uhr morgens den ersten Zug zurück nach Kaunas nahmen (dieser Zug war lustig, total voll und alle völlig fertig und müde). Daheim hieß es dann gleich mal 8 Stunden Schlaf nachholen! :)
Dann ging's weiter auf eine Abschiedsfeier.

Am "richtigen" Mittsommer war ich dann mit einigen anderen in Kernave, dem Ort, in dem dieses Fest am größten und traditionellsten gefeiert wird ...
Auch dort war wieder jede Menge los:)



Super Trampen mit Paul in einem englischen Auto (hach, war das ungewohnt), dann wurden wir vom Gewitter überrascht (nachdem wir eine halbe Stunde vorher bereits viele besorgte SMS - "Bringt euch in Sicherheit!" - aus Kaunas bekommen hatten) und pitschnass.
Dann ... fühlte ich mich irgendwo in die Landschaft und die Geschichten aus Astrid Lindgrens Bücher versetzt ...
Stellt euch vor, auf einem der vielen saftig grünen ehemaligen Burghügel zu sitzen, die Beine baumeln zu lassen, Walderbeeren auf lange Grashalme aufzufädeln, natürlich die traditionellen Blumenkränze zu basteln, auf den Nemunas zu blicken, viele viele Menschen in den Wiesen sitzen zu sehen, ...




Stellt euch vor, abends einfach nicht müde zu werden, weil es ja wirklich nur für 3 Stunden wirklch dunkel wird, dafür lange zu litauischer Musik zu tanzen, wieder auf dem Hügel zu sitzen und überall in der Dämmerung viele kleine Mittsommerfeuer aufflackern zu sehen, litauische Traditionen hautnah zu verfolgen, Salz ins Feuer zu streuen, Gänsehaut bei den alten Gesängen zu bekommen, zu Naturgöttern zu beten und ihnen für das vergangene Jahr zu danken, ums Feuer zu tanzen, um 5 Uhr morgens kepta duona zu essen, ...



Um noch mehr Eindrücke zu bekommen - hier wieder mal einige Fotos!

Seid lieb umarmt,
eure Sarah

Dienstag, 15. Juli 2008

#16 Noch ein Regenwald-Abenteuer


Mit Christinas jüngeren Schwester Kathi, die nun drei Wochen zu Besuch ist, fuhren noch mal in den Regenwald nach Puyo, um Hugo, einen dort wohnenden Quichua-Indígena, zu besuchen. Hugo lebt mitten im Urwald und besitzt weder fließendes Wasser, noch Strom, noch Handy. Wir suchten also auf gut Glück sein Haus auf und hofften, ihn dort anzutreffen.
Von Puyo geht’s Richtung Macas bis zum Kilometer 12. Von dort folgten wir einer Schotterstraße. Der Fußmarsch beträgt ca. eine Stunde, doch wir hatten Glück: eine vorbeifahrende camioneta (Pick-up) nahm uns mit bis zur Brücke. Ab der Hängebrücke geht es nur noch zu Fuß weiter. Wir folgten dem schmalen Weg nach rechts und wanderten eine halbe Stunde am Flussufer entlang über vier Brücklein aus Baumstämmen, bis wir zu einer Lichtung kamen. Dort gingen wir bergaufwärts bis zu Hugos Haus. Es besteht aus einer größeren Hütte mit Küche und Feuerstelle, einer Hütte für Touristen (mit fünf Betten und Matratzen), einem WC (!) bei dem die Klospülung jedoch nur sporadisch funktioniert, Dusche (funktioniert nicht) und ein bisschen weiter drüben Hugos Haus.
Wir kamen um vier Uhr an und fanden das Haus leer vor. Wir warteten. Hugo hat drei Hunde, zwei große schwarze Schweine und einige Hühner. In Baños haben wir noch Lebensmittel für ihn und seine Familie gekauft: drei Kilo Reis, eine Packung Öl, zwei Kilo Salz, Nudeln, Thunfisch, Schwamm, Seife, Zahnpasta, Panela, Zuckerl für die Kinder, Klopapier. Mit all dem Zeug sind wir durch den Regenwald gewandert. Wir luden es in der Küche ab.
Wir warteten bis sechs. Zum Zurückkehren war es nun zu spät. Um halb sieben würde es dunkel werden. Wir beschlossen, die Nacht über hierzubleiben. Zuerst wollten wir aber was essen, denn wir hatten seit dem Frühstück in Baños nichts mehr zu uns genommen. Wir betraten die Küche und versuchten, die Feuerstelle anzuwerfen. Es stand uns jedoch nur feuchtes Holz, ein halbes Blatt Zeitungspapier und das Öl vom Thunfisch zur Verfügung. Wir schafften es, ein morsches Stück Holz zum Glühen zu bringen und ein kleines fünfminütiges Lagerfeuer, das aber bald erlosch. Gut. Reis oder Nudeln kochen spielte es also nicht. Hungrig begnügten wir uns nur mit Thunfisch. Die nächste Herausforderung: Das Öffnen einer großen Thunfischdose. Ohne Schweizermesser. Wir sahen uns um und fanden eine Machete und einen Hammer. Es lebe die Machete! ... Wir löffelten Thunfisch in Öl und knabberten rohe Nudeln. Mmmh!
Dann legten wir uns schlafen. Es war sieben. Und stockdunkel. Wir hatten weder Leintücher, noch Decken. Nur etwas feuchte Matratzen und Polster. Mit unseren Handtüchern deckten wir uns zu.
Kathis Magen ist noch zu europäisch. Sie erbrach in der Nacht das Abendessen. Wir hatten kein Wasser mehr. Sie putzte sich die Zähne und spülte mit Cola ihren Mund aus.
Die Nacht war kalt und lang. Es regnete und ich fror. Mit meinem kleinen Handtuch konnte ich immer nur entweder meine Arme oder meine Beine bedecken. Unter dem Haus hörte man die Schweine und die Hühner in der Erde scharren. Und grunzen. Und gackern.
Am nächsten Morgen versuchten wir abermals unser Glück an der Feuerstelle. Wir rissen dafür Seiten aus unseren Tagebüchern. Doch der Tag war noch schlechter. Über Nacht hatten die Zünder die Feuchtigkeit der Umgebung angezogen und taugten nichts mehr.
In der Regentonne hinterm Haus putzten wir unsere Zähne. Wir schrieben Hugo einen Zettel mit lieben Grüßen, hinterließen die Lebensmittel, packten uns zusammen und brachen wieder auf.
Abermals hatten wir Glück. Eine camioneta nahm uns bis nach Puyo mit.

Moral von der Geschichte: Lerne, wie man ein gescheites Lagerfeuer macht – es kann nützlich sein. (¡verras, Viki!) Oder nimm sicherheitshalber immer Brot mit.