Donnerstag, 31. Januar 2008

#9 Mein Ambato

Alltägliches aus Ecuador:
– heulende Streuner, die die ganze Nacht über Lärm machen
– Alarmanlagen, die sogar losgehen, wenn man ein Auto nur böse anschaut
– turbulente Verkehrssituationen und allgegenwärtiges Hupen

Mein Ambato überzeugt durch:
– mais-, karotten- und bohnenverkaufende Indígena-Frauen, die – oft mit Kind und immer in Tracht – am Straßenrand stehen, die vor ihnen ausgebreiteten Gaben feilbietend
– den – derzeit aktiven – Vulkan Tungurahua, den ich eines Nachts schon Lava spucken sah und der mit viel Asche um sich wirft, die an meinem Körper zahlreiche rote und juckende Punkte verursacht
– den bereits familiären Uringeruch, der mir täglich vor dem Eintreten in die Fundación am Terminal entgegenweht
– Schulkinder, die in die Fundación ins Centro zum Mittagessen kommen und danach ihr Geschirr nicht ordentlich abwaschen und von mir vorwurfsvoll auf die am Tellerrand klebenden Essensreste hingewiesen werden
– Reggaetonmusik, die an diversen Straßenecken aus CD-Geschäften schallt
– Jugendliche, die im Bus mit emotionalen Reden überzeugen und es immer wieder einmal schaffen, mir fünf Zuckerl für 25 cent zu verkaufen
– viele schwarze Augenpaare, die mich den ganzen Arbeitstag auf meinem Weg verfolgen

Tropfen auf dem heißen Stein:
– Jimmy, ein geistig zurückgebliebener Bub schreit in meinen Englischklassen als erster richtige Antworten heraus (das habe ich alternativer Pädagogik zu verdanken)
– Die Professorin von Yajaira fragt verwundert, woher die Änderung in dem Mädchen rührt: Plötzlich lacht das ernste Kind öfter, bringt regelmäßig Hausaufgaben und hat ihre Noten verbessert. Der Grund: Yajaira kommt neuerdings täglich zu uns in die Fundación Don Bosco am Terminal!

Dinge, wegen denen ich heulen könnte:
– das absolute Fehlen jeglicher Englischkenntnisse fast aller ecuadorianischen Schüler
– Jimmy ist mit seinen Hausaufgaben maßlos überfordert und trotz meiner Hilfe sitzen wir zwei Stunden daran
– dass so manches Kind schon drei Jahre in die Schule geht, aber noch immer nicht lesen kann
– und manchmal auch andere Sachen

Dinge, die mich einfach nur glücklich machen:
– Techo-Propio-Kinder, die mich zur Begrüßung lachend umarmen, wenn ich in der Schule ankomme
– auf der offenen Ladefläche einer camioneta (Pick Up) reisen
– Schuhputzerbuben, die mir auf der Straße, wenn sie mich kennen, grinsend eine schmierig-schmutzig-schwarze Hand zum Gruß entgegenstrecken
– Papayas

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